10.11.08 Montag, 20.00 h

Zeitbrüche - Diagnosen zur Gegenwart

„NEUE BÜRGERLICHKEIT? TRAGÖDIE UND FARCE“
ES DISKUTIEREN AXEL HONNETH (GOETHE-UNIVERSITÄT UND INSTITUT FÜR SOZIALFORSCHUNG, FRANKFURT AM MAIN), MARTIN MOSEBACH (SCHRIFTSTELLER, FRANKFURT AM MAIN), WERNER PLUMPE (GOETHE-UNIVERSITÄT UND INSTITUT FÜR SOZIALFORSCHUNG, FRANKFURT AM MAIN) UND CORNELIA RAUH-KÜHNE (LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER)
MODERATION PETER KEMPER, HR2

In der Veranstaltungsreihe ZeitBrüche initiiert das Institut für Sozialforschung (IfS) in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk (hr2) und dem Literaturhaus Frankfurt zweimal jährlich eine Diskussion zu einem zeitdiagnostischen Thema.

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Gegenwart, dass zugleich mit der vierzigjährigen Wiederkehr des Jahres 1968 Stimmen lauter wurden, die einer Art „neuen Bürgerlichkeit“ das Wort reden, sei es, um die sich langsam etablierenden Lebensstile der neuen Berliner Republik zu beschreiben, sei es, um ein normatives Konzept zur Integration der von Devianz und neuer Unterschichtung „bedrohten“ Gesellschaft vorzuschlagen. Dabei ist ganz unklar, worin diese „neue Bürgerlichkeit“ bestehen soll. Ähnlich wie bei ihren historischen Vorgängern, scheint es sich bei der beschworenen „neuen Bürgerlichkeit“ vor allem um ein Abgrenzungskonzept zu handeln, dessen positive Ladung weithin unbestimmt bleibt, ja bleiben muss, will man nicht in die Rigiditäten der älteren bürgerlichen Lebensvorstellungen etwa zur Unauflöslichkeit der Ehe oder zum „guten Geschmack“ in Kunst, Kultur und Öffentlichkeit zurückfallen. Darüber wird zu reden sein: Gibt es einen nichttrivialen Kern bürgerlicher Lebensweise und Lebensformen, deren Stärkung als Antwort auf reale oder vermeintliche gesellschaftliche Krisen taugt? Wenn ja: Wie sollen sie vermittelt werden? Wie stehen ihre Erfolgschancen in einer weithin dezentrierten Welt, der ja gerade jene „Mitte“ fehlt, die Lebensformen verbindlich definieren könnte? Wenn nein: Woher kommt diese Sehnsucht nach „Bürgerlichkeit“, und was bedeutet eine Diskussion, die das Heil der Gesellschaft in der Beschwörung von Tugenden sieht, die schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im 18. und 19. Jahrhundert alles andere als unstrittig waren?

2008