24.06.08 Dienstag, 20.00 h

Gennadij Gor "Blockade"

OLEG JURJEW UND PETER URBAN STELLEN „BLOCKADE“, DIE NEU ENTDECKTEN GEDICHTE VON GENNADIJ GOR, VOR UND SPRECHEN ÜBER DEN DICHTER UND SEINE ZEIT
LESUNG RUSSISCH/DEUTSCH

Gennadij Gor hat 95 Gedichte geschrieben, die ihn in die erste Reihe der russischen Lyriker des 20. Jahrhunderts katapultierten. Sie sind von erstaunlicher klanglicher, darstellender und metaphorischer Qualität. Die oft absurd wirkenden Reime zeugen von einer verzweifelten Komik und Furchtlosigkeit, mit der ein sowjetischer Schriftsteller der Belagerung Leningrads dichterisch begegnete. Keinesfalls sind dies Gedichte über die Blockade. Selbst der schrecklichste Belagerungsalltag – Hunger, Kannibalismus, der Tod auf der Straße – tritt hier nicht als realistische Beschreibung auf, sondern als Albtraumspiegelung, als überspitztes Bild des Unmöglichen:

Gennadij Samoljlovic Gor, geboren 1907 im transbajkalischen Verchneudinsk, lebte vorwiegend in Leningrad, wo er 1981 starb. Er stand mit Daniil Charms und Aleksandr Vvedenskij, den Hauptakteuren der Avantgarde-Gruppe OBERIU, in Kontakt und veröffentlichte seit 1923 experimentelle Prosa und Erzählungen. Nach Kriegsende wandte er sich der sogenannten wissenschaftlichen Phantastik zu. Auf Deutsch erschien zuletzt: „Das Ohr“ (Friedenauer Presse, 2007).

Oleg Jurjew, geboren 1959 in Leningrad, lebt sowohl als Schriftsteller von Gedichten, Dramen und Prosa, als auch als Rundfunkautor, Übersetzer und Essayist in Frankfurt am Main. Von ihm erschienen zuletzt beim Suhrkamp Verlag „Spaziergänge unter dem Hohlmond“ (2002) und „Der neue Golem oder Der Krieg der Kinder und Greise“ (2003).

Peter Urban, geboren 1941 in Berlin, lebt in Weidmoos bei Frankfurt. Er studierte slawische Philologie, Germanistik und Geschichte in Würzburg und Belgrad, arbeitete bei verschiedenen Verlagen und beim WDR als Hörspieldramaturg. Seit 1989 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen die Übersetzungen der russischen Autoren Brodskij, Cechov, Gogol, Gorkij, Kiš, Mandelstam, Puschkin, Sorokin und Turgenew.

Katzenbraten. Und Gäste sitzen

An demselben Tisch.

Ich blicke auf das Brot, zähle die Knochen

Und warte, bis die Gäste gehen.

Doch da tritt ein der Schwiegervater (Tod, Schlaf).

Man fährt die Gäste fort auf Rodelschlitten

Man legt mich auf den Rodelschlitten, fährt mich fort...

2008