25.04.08 Freitag, 20.00 h

"Das Lachen der Täter"

KLAUS THEWELEIT ÜBER JONATHAN LITTELLS „DIE WOHLGESINNTEN"

Der Roman „Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell ist ein verstörendes, aber wichtiges Werk der Literatur, an dem sich die deutsche Literaturkritik in absurden Fragestellungen zerrieben hat. Der fiktive Ich-Erzähler, der SS-Offizier Dr. Max Aue, wendet sich an seine Menschenbrüder und erinnert sich an die Greueltaten der Nazi-Zeit. Jonathan Littell hat in Archiven, vor allem in Osteuropa, recherchiert, er weiss sehr viel über die Geschichte des zweiten Weltkrieges und die Judenvernichtung - aber sein Buch ist keine historische Studie, es ist ein Roman - moralisch reflektierend wie Schrecken erregend. Das Schmutzige und die Gewalt sind Gehalt dieses Buches, monströs in seiner kontaminierten Sprache. Porno­graphisch fand man es - Kitsch, grauenhaft und unmöglich, aber dieses Buch ist das literarische Werk zum 20. Jahrhundert, das überzeugend die Sprache der Gewalt in Literatur verwandelt hat, mit dem langen Atem von 1400 Seiten. Man kommt an diesem Buch nicht vorbei. Auch weil es Ausdruck einer veränderten Erinnerungskultur ist. Klaus Theweleit, dessen legendäres Buch „Männerphantasien" Littell in seinen Roman eingearbeitet hat, hat sich sehr früh zu dem Feuerwerk der deutschen Feuilletonkritiken des Romans geäußert und Littell gegen den Vorwurf der Pornographie, des Tabubruches bis zum Vorwurf der „Idiotie" in Schutz genommen. Klaus Theweleit hat auch das Nachwort für das neue Buch von Littell geschrieben, das im April in Frankreich erscheint. Das Buch (Arbeitstitel „Le sec et l`humide. Une brève incursion en territoire fasciste") ist eine Recherche zum belgischen Faschistenführer Léon Degrell. Klaus Theweleit redet über Littells Roman, er wird daraus lesen und über die Frage sprechen, die auch Littell umtreibt: „Gibt es so etwas wie universelle Formen von Gewaltausübung?“

Jonathan Littell, 1967 in New York geboren, ist in Frankreich aufgewachsen und studierte an der Yale University (USA). Zwischen 1993 und 2001 arbeitete er für die humanitäre Organisation „Aktion gegen den Hunger“ (ACF) in Bosnien und Afghanistan, im Kongo und in Tschetschenien. Für seinen Roman „Les Bienveillantes“ erhielt er 2006 den Grand Prix du Roman der Académie Française und den Prix Goncourt. 2008 ist der Roman im Berlin Verlag erschienen, aus dem Französischen übersetzt von Hainer Kober.

Klaus Theweleit, 1942 geboren, studierte Germanistik und Anglistik. Seine Promotion über die „Freikorpsliteratur und den Körper des soldatischen Mannes“ von 1979 war die Grundlage für das Buch „Männerphantasien“ (Stroemfeld Verlag 1977 und 1978). Theweleit lebt in Freiburg, ist als freier Autor tätig und hat Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich. Er lehrt am Institut für Soziologie der Universität Freiburg im Breisgau und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Seit 1998 ist er Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. 2003 erhielt er den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.

2008