01.06.08 Sonntag, 15.00 h

Finissage der Ausstellung "Kippfiguren. Robert Gernhardts Brunnen-Hefte"

FÜHRUNG UND VORTRAG VON KRISTINA MAIDT-ZINKE: „DIE EIGENTLICHE SUMME MEINER EXISTENZ“ FISCHZÜGE UND TAUCHGÄNGE IN ROBERT GERNHARDTS BRUNNEN-HEFTEN – EIN BERICHT AUS DER TIEFE

„Ich benutze immer diese Brunnen-Hefte“, erklärte Robert Gernhardt, „ganz einfache Schulhefte. Darin mache ich meine Aufgaben.“ Gewiss ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass Schriftsteller Notizhefte oder Tagebücher führen, dass Maler und Zeichner einen Skizzenblock bei sich tragen. Bei Robert Gernhardt, einem Mehrfachtalent von seltener Ausprägung, haben wir es jedoch mit einer besonderen Konstellation zu tun. An den Brunnen-Heften lässt sich nicht nur die Entwicklungs- und Erfolgsgeschichte des Künstlers ablesen, sondern auch eine Epochenkurve der letzten drei Dezennien. In einem der Hefte des Jahres 2005 hat Gernhardt sich noch einmal Gedanken gemacht über die Funktion der Ironie im Kunstwerk. „Alles Dichterspielen ist Rollenspiel“, steht dort unter anderem, „und jede Rolle, die der Mensch einnimmt, ist ein Gran Lächerlichkeit beigemengt.“ Die Eintragungen im letzten Brunnen-Heft, am 6.6.2006 begonnen, enden mit der wunderbar lebendigen Zeichnung einer schlafenden Katze. Die letzten Worte lauten: „Die Gegenwart, die mich davon abhält, mir über die Zukunft allzu viele Gedanken zu machen. Noch, noch...“

Kristina Maidt-Zinke ist Feuilleton-Redakteurin der Süddeutschen Zeitung und freie Autorin. Sie hat den Essay für den Ausstellungskatalog, „Kippfiguren. Robert Gernhardts Brunnen-Hefte“ (Marbacher Magazin 120) geschrieben.

2008